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MEHR SCHEIN
ALS SELBSTSTÄNDIGSEIN
Landessozialgericht Bayern zu freiberuflichen Beschäftigungsverhältnissen in Fitness-Studios
Die regelmäßige Kolumne von Rechtsanwalt Dr. Hans Geisler und Wirtschaftsprüfer & Steuerberater Dennis Woltsche

Dr. Hans Geisler
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht / Gewerblichen Rechtsschutz / Bau- und Architektenrecht

Dipl.-Ökonom Dennis Woltsche
Wirtschaftsprüfer und
Steuerberater
WARUM SIND FITNESSSTUDIOS BETROFFEN?
In der vorbezeichneten Konstellation vor dem LSG hatte die Deutsche Rentenversicherung bei der Betriebsprüfung in einem Fitnessstudio die freien Mitarbeiter als scheinselbstständig bewertet. Es folgte ein Beitragsbescheid über Sozialversicherungs-beiträge in Höhe von 59.107,76 €. Da entsprechende Bescheide sofort vollstreckbar sind, hat das Fitnessstudio in einem Eilverfahren beantragt, die aufschiebende Wirkung herzustellen. In solchen Eilverfahren findet nur eine summarische Prüfung durch das Gericht statt, weshalb dieses Verfahren, auch aufgrund der bereits existierenden Rechtsprechung, ungeeignet und auch aussichtslos war. Das LSG München hat erwartungsgemäß zu Lasten des klagenden Fitnessstudios entschieden. Zudem hat es einen sehr deutlich formulierten Leitsatz aufgestellt, nämlich: In fremden Fitnessstudios tätige Fitnesstrainer sind regelmäßig abhängig beschäftigt.
SCHEINSELBSTSTÄNDIGE ARBEITNEHMER SIND SOZIALVERSICHERUNGSPFLICHTIG
Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Scheinselbstständigkeit sind schon in den letzten Jahren von der Rechtsprechung entwickelt worden und werden in dem oben bezeichneten aktuellen Beschluss noch einmal bestätigt. Danach sind freie Mitarbeiter eines Fitnessstudios, die Kurse, Trainingsflächenbetreuung und Rezeptionstätigkeiten ausüben und hierfür einen festen Stundensatz erhalten, sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer einzustufen und es sind die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Schuldner der gesamten Sozialversicherungsbeiträge, also der Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile, ist der Arbeitgeber. Es besteht für die Arbeitnehmeranteile zwar ein Rückforderungsanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer, dieser ist jedoch gem. § 28 g SGB IV auf drei Monate unter Beachtung der Pfändungsfreigrenze beschränkt. Damit trägt faktisch der Arbeitgeber das sozialversicherungsrechtliche Risiko. Die geleisteten Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers können als Betriebsausgabe berücksichtigt, die Aufwendungen des Arbeitnehmers, sofern er sie tatsächlich getragen hat, als Sonderausgaben in der Einkommensteuererklärung berücksichtigt werden.
Das Fitnessstudio behauptete in dem Gerichtsverfahren, alle als Kursleiter und Trainer eingesetzten Mitarbeiter seien für eine Vielzahl von Auftraggebern im Bereich der Fitnessbranche und anderen Betriebsfeldern tätig gewesen. Die wesentlichen Aufgaben der freien Mitarbeiter hätten in der sportlichen Betreuung der Kunden bestanden; sie seien auch bei der Anwerbung neuer Mitglieder eingesetzt worden; Rezeptionstätigkeiten hätten lediglich als untergeordnete Tätigkeiten geleistet werden müssen, die nur bei Gelegenheit der Ausübung der Trainings- und Kurstätigkeiten miterledigt worden seien. Die freien Mitarbeiter wären allesamt nicht weisungsgebunden. Die Arbeitszeitbestimmung habe nur im Rahmen der Vorgabe eines Kursplanes stattgefunden. Die Kurstermine seien mit den Mitarbeitern abgestimmt und nicht einseitig vorgegeben worden. Die freien Mitarbeiter konnten Aufträge ablehnen, sie waren zur höchstpersönlichen Leistungserbringung, zur Anzeige von Verhinderung und zu Berichten nicht verpflichtet. Eine Software zur Überprüfung der Arbeitsergebnisse habe es nicht gegeben. Die freien Mitarbeiter hatten lediglich Zugriff auf das Kunden-Check-In System, um die Kunden bzw. deren Kontaktdaten zur selbständigen Ansprache im Rahmen des Trainingsbetriebes zu registrieren. Im Übrigen hätten sie ihre eigenen PCs benutzt. Die freien Mitarbeiter seien im Geschäftsverkehr als Selbständige aufgetreten und hätten Werbung betrieben. Sie hätten ein unternehmerisches Risiko getragen und z.B. ihre Aus- und Weiterbildung selbst finanziert. Es sei eine Zeitaufwandsvergütung für Trainings- und Kursleitung und eine Provisionsvergütung für die erfolgreiche Kundengewinnung vereinbart gewesen. Die Kursleiter hätten die Auswahl der Arbeitsmittel freiwählen können. All diese vorgenannten Argumente änderten nichts an der Einordnung des Gerichts der freien Mitarbeiter als scheinselbstständig.
KRITERIEN ZUR ANNAHME EINER SCHEINSELBSTSTÄNDIGEN TÄTIGKEIT
Eine Tätigkeit ist rechtlich als scheinselbstständig einzuordnen, sofern Sie nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung tatsächlich eher eine abhängige Beschäftigung darstellt. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1SGB IV. Danach ist eine Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (vgl. BSG vom 11.11. 2015, B 12 KR13/14 R).
Demnach spricht für eine Beschäftigung - also für eine Scheinselbstständigkeit - zum Beispiel wenn Arbeitsmittel seitens des Fitnessstudios zur Verfügung gestellt werden. Von der Rechtsprechung wird ferner argumentiert, dass die konkrete Arbeit von in fremden Fitnessstudios tätigen Fitnesstrainern nach allem das typische Bild von Beschäftigten vermittle. Auch Rezeptionisten seien in der Regel in einen fremdbestimmten Betriebsablauf eingebunden. Ein unternehmerisches Verlustrisiko sei in diesem Fall nicht erkennbar, da auch Rezeptionisten in der Regel einen festen Stundenlohn erhalten. Im Ergebnis gibt der Leitsatz des LSG demnach die Rechtsprechung der letzten Jahre wieder. Dennoch ist durch diesen Beschluss die Zusammenarbeit mit freien Mitarbeitern nochmals deutlich risikoreicher, zumal die Kriterien für eine Beschäftigung weit ausgelegt werden.
FAZIT
Grundsätzlich gilt, dass der Versicherungsträger aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls entscheidet, ob eine Beitragspflicht vorliegt (Beweislast liegt beim Versicherungsträger). Aufgrund der daraus resultierenden Risiken von Beitragsnachzahlungen empfiehlt es sich, in Zweifelsfällen die Statusklärung bei der DRV gem. § 7a SGB IV zu beantragen. Wird ein solcher Antrag jedoch später als einen Monat nach Aufnahme der Beschäftigung gestellt, muss bei einem negativen Statusbescheid, mithin der Feststellung einer Scheinselbständigkeit, der Arbeitgeber bis zu vier Jahre Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen (bei Vorsatz sogar30 Jahre). Damit eignet sich das Statusfeststellungsverfahren für „alte“ Verträge grundsätzlich nicht.
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