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Verschärft

Sozialversicherungspflicht des GmbH-Geschäftsführers 


Die regelmäßige Kolumne von Rechtsanwalt Dr. Hans Geisler und Wirtschaftsprüfer & Steuerberater Dennis Woltsche

Dr. Hans Geisler
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht / Gewerblichen Rechtsschutz / Bau- und Architektenrecht


Dipl.-Ökonom Dennis Woltsche
Wirtschaftsprüfer und
Steuerberater


Zur Sozialversicherung zählen die gesetzliche Rentenversicherung, die Krankenversicherung, die soziale Pflegeversicherung, die Arbeitslosenversicherung und die Unfallversicherung. Alle Personen, die in einem Beschäftigungsverhältnis (Arbeitsverhältnis) stehen, sind in den vorgenannten Sparten versicherungspflichtig. Dies gilt für alle Personen, die abhängige (nichtselbstständige) Arbeit leisten, § 7 Abs. 1 SGB IX. In der vorgenannten Vorschrift hat der Gesetzgeber lediglich Anhaltspunkte gegeben, wann eine Sozialversicherungspflicht vorliegt.  Die Vorschrift lautet:

§ 7 Beschäftigung

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Neben den wenigen Vorgaben, die das Gesetz enthält, wird die Sozialversicherungspflicht mittlerweile primär von den Gerichten vorgegeben und ganze Branchen und Berufszweige werden, unter Beschneidung jeglicher Verteidigungsmöglichkeiten, als abhängig beschäftigt eingeordnet, wie z.B. die freiberuflichen Trainer und Kurskräfte in Fitnessstudios. Dies führt dann im Rahmen von Sozialversicherungsprüfungen  zu immensen Nachforderungen für zurückliegende Zeiträume. 

Und der Geschäftsführer?

Auch die gesetzlichen Vertreter von juristischen Personen, also z.B. die Geschäftsführer einer GmbH, können sozialversicherungspflichtig sein. Dies selbst dann, wenn sie im Verhältnis zu den sonstigen Arbeitnehmern der GmbH die Aufgaben eines Arbeitgebers wahrnehmen. Ende des Jahres 2022 hat es eine Entscheidung des Bundessozialgerichts gegeben, die die bisherige Gestaltungspraxis sowie die bisherigen Parameter, nach denen die Versicherungsfreiheit geprüft und für Geschäftsführer sowie Gesellschafter, die in der juristischen Person leitend angestellt waren, beurteilt wurden, extrem einschränken.   

In der Vergangenheit wurden Fremdgeschäftsführer in der Regel als sozialversicherungspflichtig eingestuft. Dies selbst dann, wenn sie in der Bestimmung der Art ihrer Arbeit frei sind, BSG vom 18.12.2001 – B 12 KR 10/01. Bei Gesellschafter-Geschäftsführern war es differenzierter. Bislang wurde entscheidend auf den unternehmerischen Einfluss abgestellt, den ein Gesellschafter durch sein Stimmrecht nehmen können musste. Wenn ein Geschäftsführer maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der GmbH hatte und er mindestens zu 50 % am Stammkapital beteiligt war, lag nach einer Entscheidung des BSG vom 22.11.1974 - 1 Rr 251/73 eine Selbständigkeit und damit auch eine Versicherungsfreiheit vor. Genauso war es in der Vergangenheit, wenn ein Geschäftsführer zwar unter 50 % am Gesellschaftskapital beteiligt war, er jedoch über die Satzung in die Lage versetzt wurde, jeden Beschluss, insbesondere eine ihn störende Weisung in Bezug auf das Dienstverhältnis zu verhindern, vgl. BSG vom 5.2.1998 – B 11 AL 97/97 R. 

Auf der vorgenannten Grundlage haben zahlreiche Gesellschafter ihre bisherige Planung ausgelegt und die jeweiligen Satzungen sind nach der bisherigen Vorgabe des Bundessozialgerichts gestaltet worden, wenn das Ziel eine Versicherungsfreiheit war. Nunmehr stehen diese Konstellationen in Frage, weil das BSG seine Rechtsprechung geändert und eine neue Voraussetzung aufgestellt hat, also die „Spielregeln“ erheblich geändert hat. Der für Statusfeststellungsbeurteilungen zuständige 12. Senat des BSG verlangt nunmehr in seiner Entscheidung vom 13.12.2022 das Vorhandensein einer „Gestaltungsrechtsmacht“ für den Gesellschafter, der auch Geschäftsführer oder leitender Angestellter ist und nimmt damit eine weitere Einschränkung im Hinblick auf eine sozialversicherungsrechtliche Selbständigkeit vor. Nicht mehr ausreichend ist daher eine bloße Verhinderungsmacht (sog. Sperrminorität). Viele Gesellschafter-Geschäftsführer und Gesellschafter, die bei der Gesellschaft in leitender Position tätig sind, sind damit nicht mehr selbstständig. Mit dieser Entscheidung vom 13.12.2022 sind die Voraussetzungen für eine Sozialversicherungsfreiheit durch das BSG überraschend verschärft worden. Dies führt zu weiteren Einschränkungen der Gestaltungsspielräume für eine sozialrechtlich anzuerkennende Selbstständigkeit bei einem Gesellschafter einer GmbH, der auch Geschäftsführer ist oder dort als Angestellter in leitender Funktion beschäftigt ist. 

Beitragsnachforderungen drohen

Die nunmehr zusätzlich geforderte „Gestaltungsrechtsmacht“ begründet ein Risiko für Beitragsnachforderungen zur Sozialversicherung. Vor allem bringt es Gefahren der rückwirkenden Sozialversicherungspflicht mit sich, für bislang noch als selbstständig eingestufte geschäftsführende Gesellschafter, die nicht über eine umfassende Gestaltungsmacht verfügen. Falls kein Vertrauensschutz besteht droht diesen, dass sie künftig rückwirkend (in der Regel vier Jahre) als abhängig beschäftigt und somit sozialversicherungspflichtig eingestuft werden. 

Es entsteht der Eindruck, dass die Tendenz, die sich bereits bei freiberuflichen Trainern und Kurskräften zeigte, nunmehr auf Kapitalgesellschaften erstreckt werden soll. So hat das BSG mehrfach entschieden, dass auch dann eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegen kann, wenn der Auftragnehmer zur Erbringung seiner Dienstleistung eine GmbH oder UG nutzt, bei der er Geschäftsführer und einziger Gesellschafter ist (BSG vom 20.07.2023, B 12 BA 1/23 R, B 12 R 15/21 R, B 12 BA 4/22 R). Jedenfalls in Bezug auf die Beitragspflicht soll in Deutschland eine Selbstständigkeit nicht mehr möglich sein. Alleiniges Ziel scheint es zu sein, alle bisher selbstständigen Gesellschafter-Geschäftsführer und angestellten Mitarbeiter, die ebenfalls Gesellschafter sind, sozialversicherungspflichtig werden zu lassen. Folge wird auch hier sein, dass zahlreiche Unternehmen Sozialversicherungsabgaben nachzahlen werden müssen.

Schuldner der Sozialversicherungsbeiträge ist der Arbeitgeber. Es besteht für die Arbeitnehmeranteile zwar ein Rückforderungsanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer, dieser ist jedoch gem. § 28 g SGB IV auf drei Monate unter Beachtung der Pfändungsfreigrenze beschränkt. Damit trägt faktisch der Arbeitgeber das sozialversicherungsrechtliche Risiko. Die zusätzlich zu leistenden Beiträge des Arbeitnehmers dürften sich regelmäßig auf die Arbeitnehmeranteile zu der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung beschränken. Die geleisteten Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers können als Betriebsausgabe berücksichtigt, die Aufwendungen des Arbeitnehmers, sofern er sie tatsächlich getragen hat, als Sonderausgaben in der Einkommensteuererklärung berücksichtigt werden.

Ein Vertrauensschutz für den Zeitraum bis zur Rechtsprechungsänderung besteht nur in sehr wenigen Einzelfällen. Ein Vertrauensschutz ist nur dann anzunehmen, wenn ein einzelfallbezogener Verwaltungsakt vorliegt, der zugunsten des Gesellschafter-Geschäftsführers bzw. angestellten Gesellschafters eine selbstständige Tätigkeit feststellt. In allen anderen Fällen wird ein Vertrauensschutz nicht bestehen. Auch die Änderung der Rechtsprechung begründet keinen Vertrauensschutz, da diese kein Gesetzesrecht und damit vergleichbare Rechtsbindung schafft. Ebenso wenig kann sich darauf berufen werden, dass frühere Betriebsprüfungen beanstandungslos waren. Grund hierfür ist, dass  - so argumentiert die Rechtsprechung - Betriebsprüfungen nur den Zweck haben, die Beitragsentrichtung im Interesse der Versicherungsträger und der Versicherten sicherzustellen. Es geht mithin bei den Betriebsprüfungen nicht um eine Entlastungswirkung für den Arbeitgeber.

Grundsätzlich gilt, dass der Versicherungsträger aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls entscheidet, ob eine Beitragspflicht vorliegt (Beweislast liegt beim Versicherungsträger). Aufgrund der daraus resultierenden Risiken von Beitragsnachzahlungen empfiehlt es sich, in Zweifelsfällen die Statusklärung bei der DRV gem. § 7a SGB IV zu beantragen.

Fazit:

Die Entscheidung des BSG vom 13.12.2022 stellt ein weiteres einschränkendes Erfordernis auf, welches bisher weder in der bisherigen Rechtsprechung und auch nicht im Gesetz auftauchte. Genügte bislang ein Ausschluss der Weisungsbindung muss nunmehr, um eine sozialversicherungsrechtliche Selbständigkeit zu begründen auch die Befugnis hinzukommen,

Weisungen wie ein alleiniger Inhaber zu erteilen. Das Erfordernis einer nunmehr geforderten Gestaltungsrechtsmacht ist neu. 

Die sich in der Rechtsprechung abzeichnenden Tendenzen sind beunruhigend. Es besteht das Risiko erheblicher Beitragsnachforderungen. Diejenigen, die zur Zeit selbstständig anerkannt sind sollten versuchen unter der Zuhilfenahme von spezialisierten qualifizierten Beratern bestandskräftige, vertrauensschutzschaffende Bescheide zu erwirken.


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